Worum geht es hier eigentlich?

Also wenn ich ehrlich bin, wusste ich selber lange Zeit nicht, was das eigentlich heißen soll – die Schattenseiten des Lebens genießen. Der Satz, der Slogan war einfach eines Tages in meinem Kopf. Das war irgendwann Ende der 90er Jahre. Ich las dann viel von Camus und das Absurde hat mich schon sehr beschäftigt, also diese existentiellen Krisen und das Gefühl der Entfremdung. So Aussagen wie „Das Absurde kann jeden beliebigen Menschen an jeder beliebigen Straßenecke anspringen.“, haben mich sehr angesprochen. Aber da war auch noch etwas anderes, das ich lange Zeit nicht so richtig festmachen konnte. Es war mehr ein Gefühl, ein vages Bild im Nebel.

Etwas mehr Licht ins Dunkel brachte für mich die östliche Philosophie, Elemente aus dem Taoismus und vor allem Geschichten aus dem Buddhismus, wie die vom Bauern, seinem Pferd und seinem Sohn:

Ein Bauer hatte ein Pferd, aber eines Tages lief es fort und der Bauer und sein Sohn mussten ihre Felder selbst pflügen. Die Nachbarn sagten: “Was für ein Pech, dass euer Pferd weggelaufen ist!”. Aber der Bauer antwortete: “man wird sehen”.
Eine Woche später kam das Pferd zum Bauernhof zurück und brachte eine ganze Herde wilder Pferde mit. “So viel Glück!” riefen die Nachbarn, aber der Bauer sagte: “man wird sehen”.
Kurz danach versuchte der Sohn des Bauern, eines der wilden Pferde zu reiten – aber er wurde abgeworfen und brach sich ein Bein. “Oh, so ein Pech!” Die Nachbarn hatten Mitleid, aber der Bauer sagte wieder: “man wird sehen”.
Ein paar Tage später zog der Landesherrscher alle jungen Männer in sein Heer ein, um in die Schlacht zu ziehen. Aber den Sohn des Bauern ließen sie wegen seines gebrochenen Beins zu Hause: “Was für ein Glück, daß dein Sohn nicht in die Schlacht ziehen muss!” freuten sich die Nachbarn. Aber der Bauer bemerkte nur: “man wird sehen”.

Gefunden auf mymonk

Falls du etwas zu den Hintergründen dieser Geschichte lesen willst, gibt es auf Wikipedia ein paar mehr Infos.

Über die individuellen und gesellschaftlichen Schattenseiten

Für mich haben die Schattenseiten zwei Dimensionen: zum einen sind da die individuellen Schatten – die Dinge, die wir über uns selbst nicht wahrhaben wollen – all die Wunden, Traumata und Dinge die wir nicht sehen wollen und nicht sein dürfen. Von CG Jung hab ich gelernt, dass in unserem Schatten aber auch die guten Dinge hausen, die in unserer Kindheit nicht sein durften. Viele mussten viel zu früh erwachsen werden, verlernten ihre natürliche Fröhlichkeit, das Leben als Spiel zu sehen.

Und zu diesen Dingen ist ja in den letzten Jahren eine ganze Industrie an Beratungs-, Selbstoptimierungs- und Coaching Angeboten vor allem im Internet gewachsen. Und um offen zu sein – mich kotzt das ein wenig an. Ja, es ist gut, dass wir über diese Dinge reden, es ist auch gut, dass es normaler wird anzuerkennen, dass wir alle unsere Schatten haben. Was aber dabei übersehen wird ist, dass wir ja auch geformt werden von der Gesellschaft in der wir leben. Welche Werte allgemein als gültig erkannt werden. Isolde Charim sagt diesbezüglich ja, dass wir in einer narzisstischen Zeit leben, in der der Kapitalismus bestimmte Eigenheiten in uns fördert, die für das Überleben der Menschheit in Summe nicht hilfreich sind. Viele Strukturen, die Verteilung von Reichtum, welche Bildungsangebote du wahrnehmen kannst, welche Chancen du in deinem Leben bekommst, sind oft keine Frage des Glücks oder deiner individuellen Anstrengung und schon gar nicht sind sie Gottgegeben. Sie sind von uns Menschen gemacht – oder von denen, die die Macht haben, darüber zu bestimmten. Und es wäre kurzsichtig so zu tun, als wäre jeder seines Glückes Schmid, wenn es im Grunde darum geht, auch die Strukturen zu verändern, in denen wir leben. Und das ist genau der Punkt, wo es kompliziert wird.

Oder, wie es der Buddhismus ausdrückt: alles hängt mit allem zusammen 🙂

Also im Klartext heißt das...

Also falls dir jetzt der Kopf schwirrt und dir unklar ist, was ich eigentlich meine, könnte ich es folgendermaßen ausdrücken:
Der Ausdruck „die Schattenseiten des Lebens genießen“ drückt aus, dass wir zumindest versuchen sollten, die negativen oder schwierigen Aspekte des Lebens zu akzeptieren oder besser sogar zu genießen. Das bedeutet nicht, dass man absichtlich nach Problemen oder Schwierigkeiten sucht, sondern eher, dass man die Herausforderungen und Schwierigkeiten des Lebens als natürlichen Teil des menschlichen Erlebens akzeptiert und sie als Chance betrachtet, zu wachsen und zu lernen. Ja, ich weiß, das klingt ziemlich hochtrabend, aber man könnte auch sagen, dass es bedeutet, das Leben in all seinen Facetten zu akzeptieren und zu schätzen, einschließlich der Dinge, die man normalerweise als negativ oder unerwünscht betrachten würde. Ein Beispiel dafür wäre, dass man lernt, aus Fehlern zu lernen und die schwierigen Zeiten im Leben als Chance zur persönlichen Entwicklung und Stärkung zu nutzen.

Wir sind es so gewohnt ständig an Problemen zu hängen und versuchen sie zu lösen, dass wir völlig aus dem Blick verloren haben, wie wunderschön und wertvoll das Leben ist. Thich Nhat Hanh weist immer wieder darauf hin, dass in jedem Moment genug Gründe dafür da sind, das Leben zu genießen

Also ja – ich weiß, dass ich wenig weiß und dass ich noch auf dem Weg bin. Andererseits hab ich doch auch einige Dinge beobachten und erkennen können – und davon will ich auf diesen Seiten erzählen. Einerseits in Form von Kurzgeschichten und Essays, ganz intensiv aber in dem Blog Bereich wo es um Heilung geht. Viele von uns fragen sich ja doch immer wieder: Was für einen Sinn hat das eigentlich alles?

Was, wenn es von Anfang an einfach nur darum gegangen ist, das Leben zu genießen?